Montag, 17. September 2012

Die paradiesische Insel

Die Insel Avalon glitzert im Licht der Morgensonne. In den Senken, die noch dunkel und feucht vom Tau sind, hängen tief die Nebelbänder, umkränzen die uralten Steine, winden sich um die heiligen Quellen, die unerschöpflich aus dem Leib der Mutter fließen. Mit der aufgehenden Sonne heben sich auch die Nebel durch die Bäume hinauf zu den Hängen des steilen Hügels, wie Fahnen im blassblauen Himmel wehend. Die Vögel singen das Kommen des Tages herbei, Füchse machen sich auf ihren Weg aus der Nacht nach Hause, halten an, um die Luft zu wittern und eilen weiter, kleine Rehe ziehen sich in den Schutz der Bäume zurück, die Krähen der Morgenes fliegen krächzend herbei. Rund um die Insel hüllt der nebelige See die Sommerlande in dichtes Weiß. Gesegnet sind wir in dieser abgeschiedenen Welt.

Durch die Nebel ertönt eine Glocke und ruft die Priesterinnen der Göttin zu ihrem Tempel von Avalon. Aus den kleinen Behausungen, die sich unter die Bäume ducken, erscheinen einzeln und zu zweit Gestalten, schlüpfen auf den gepflegten Pfaden zu dem heiligen Platz. Ihre weichen, wollenen Roben von violetter und blauer Farbe tauchen ein in den Nebel und wieder auf, verfließen und treten wieder hervor.

In der Stille der heiligen Halle brennt vor dem Bildnis von Nolava, unserer Lady von Avalon, die ewige Flamme bald ruhig, bald flackernd, wie von einem unsichtbaren Atem bewegt. Auf dem Altar, der umringt ist von einem Kreis von Räucherschalen, wird das heilige Wasser der Quelle in den Kelch gegossen. Die Glocke ertönt, ein neuer Tag im Paradies bricht an. Der Gesang hebt an, Stimmen singen das Loblied der Göttin. Es ist ein wundervoller Klang aus der Mitte des Herzens, der mit dem Atem anschwillt und abfällt.
Die Priesterinnen erzeugen den heiligen Raum der Göttin, erfüllen ihren Tempel mit der Ruhe, die das Herz öffnet und weitet. Die Anrufung der Lady in ihrem Tempel beginnt. Die Stimmen erheben sich und rufen sie aus den neun Richtungen des Heiligen Rades, rufen ihre Anwesenheit an diesem Morgen herbei. Mit erhobenen Armen weben die Finger der Priesterinnen Muster in die Luft. Ihre Köper sind in Bewegung, sie öffnen das Rad mit ihrem Atem. Die heiligen Worte sind gesprochen, die Energie der Göttin in ihrem Tempel ist aktiviert.

Unscheinbar und sanft zunächst flackern Regenbogenlichter um die Wände des Tempels, bleiben einen Augenblick in der Luft hängen und entpuppen sich als tanzende, schemenhafte Formen. Vom Zentrumsaltar aus erglüht das violette Leuchten der Göttin und erfüllt den Raum mit ihrem Strahlen. Sie wird mit jedem Moment heller und verströmt sich in ihren Tempel, während der Gesang seinen Höhepunkt erreicht. Ihr Glanz sättigt die Luft mit violetten Strahlen. Überfließend erstrahlt sie in alle Richtungen der geweihten Lande von Avalon. Pulsierende Lichtströme breiten sich wellenförmig über den nebeligen See aus bis zum Festland. Hier verbindet sich ihre göttliche Energie mit den Funken und den ätherischen Fasern, die innerhalb aller Geschöpfen wirken, und erneuern das Netz der Wunder und des Zaubers, das seinen Weg durch das Land webt. 

Alles ist gut. Ein neuer Tag im Paradies ist angebrochen.